Für meine weiterführenden theoretischen Untersuchungen im Meisterschüler-Projekt bildet mein Theorie-Diplom eine wichtige Grundlage. In dieser Arbeit habe ich versucht, die Bedingungen des Lesens und den Umgang mit elektronischen Texten aus Sicht eines Typografen zu beschreiben. Das theoretische Diplom habe ich ebenfalls im Winter- und Sommersemester 2008/09 an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee erarbeitet. Von den Professoren Walter Scheiffele und Wim Westerveld bin ich abschließend zu meinen Thesen geprüft worden.
Mein Text stellt die Behauptung voran, dass sich durch den steigenden Einfluss der neuen Medien und des Internets unsere Lesegewohnheiten stark verändert haben. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über aktuelle Lesearten/Rezeptionsweisen und neue Tendenzen der Textproduktion zu geben. Dabei plädiere ich für eine differenzierte und kritische Haltung in Bezug auf die Gestaltung und Rezeption elektronischer Texte.
Im ersten Kapitel beschreibe ich die historische Entwicklung der Lesearten von Texten aus medientheoretischer sowie aus typografie- und schriftgeschichtlicher Sicht. Vilém Flussers These von der Krise der Linearität und die Klassifikation der Lesearten von Hans Peter Willberg und Friedrich Forssman sind wichtige thematische Positionen in diesem Teil der Arbeit.
Einen Versuch zur Systematisierung der Lesearten elektronischer Texte habe ich im zweiten Teil des Buches entworfen. Hier beschreibe ich zunächst die allgemeinen Bedingungen von Typografie am Bildschirm. Weiterführend gehe ich auf digitale Nachrichtensysteme, navigierendes Lesen von Hypertext und auf das Bloggen, Taggen und Twittern ein.
Abschließend versuche ich im dritten Kapitel neue Lesestrategien für elektronische Texte im Internet zu entwerfen. Die Theorie der neuen Einbildungskraft von Vilém Flusser, psychologische und neurologische Erkenntnisse nach Norman Doidge und Manfred Spitzer finden hier Erwähnung. Aus literaturwissenschaftlicher Sicht erörtere ich zudem die neuen Qualitäten des kollektiven Schreibens und der Vernetzung.
Die theoretische Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Entwicklung unserer Lesegewohnheiten und dem Umgang mit elektronischen Texten hat mich zunächst motiviert, selbstständig im Internet Texte zu produzieren. Dieser Blog ist mein erster Versuch, online zu publizieren. Über den typografie- und schriftgeschichtlichen Kontext hinaus konnte ich einen interessanten Einblick in andere Wissenschaftszweige wie z. B. Medientheorie, Semiotik, Literaturwissenschaft oder Psychologie und Neurologie gewinnen. Besonders beschäftigen mich auch weiterhin die Theorien des Medienphilosophen Vilém Flusser.
Die Buchgestaltung und Typografie dieser Arbeit versucht auf vielseitige Weise auf die Gestaltungsprinzipien im Internet bezug zu nehmen. Ein Beiheft mit Abbildungen ist im Schutzumschlag integriert und kann zur Lektüre des Buches neben gelegt werden.